Samstag, 27. April – Regen im Regenwald

Nach den staubtrockenen Gemfields erlebe ich jetzt das krasse Gegenteil. Regen, Regen Regen im Regenwald. Ist ja auch prima, damit der Regenwald immer schön grün ist und die Wasserfälle rauschen, wenn da nicht die sogenannten Low-Bridges wären. Genau betrachtet, ist eine Low-Bridge schlicht eine zementierte Furt. Und wie das bei Furten so ist, führen sie manchmal wenig und manchmal viel Wasser. Und manchmal sehr viel.

Jedenfalls fahre ich in dieses abgelegene, zugewachsene, herrlich skurrile, leider etwas herunter gekommene Buschcamp im Eungella Nationalpark, das ein freundlicher alter Kauz namens Wazza eigenhändig fast vollständig aus wiederverwendeten Materialien direkt ans Flußufer im Wald gebaut hat. Wazza hat einen Hund namens Dog und einen Kakadu mit gebrochenem Flügel namens Rocky.

Tag 1: Als ich am späten Nachmittag ankomme, bin ich guter Dinge, die Sonne scheint und ich freue mich auf eine Wanderung im Eungella Nationalpark. Es ist schön im Regenwald. Nachts fängt es an zu regnen.

Tag 2: Es hat die ganze Nacht geregnet und tagsüber kräftige Schauer. Der Wasserpegel über den Low-Bridges hat über Nacht mehr als 40 Zentimeter erreicht. Mit einem fetten 4WD, wie ihn die meisten Australier fahren, kein Problem. Zu Fuß geht es auch. Mit einem kleinen Van, wie ihn gewisse Touristinnen fahren, keine Chance. Also hänge ich hier fest, im Regen im Regenwald.

Die zwei anderen Camper verlassen mit ihren allwetterfähigen Fahrzeugen das Camp. Ich bin allein hier. Und gehe nicht wandern. Wazza kocht und lädt mich ein. Er freut sich, dass er Gesellschaft hat und ich freue mich, denn meine Vorräte sind nicht allzu groß.

Tag 3: Dauerregen. Wazza besteht darauf, dass ich in seiner Hütte, die auf Stelzen steht, übernachte. Er schiebt mir eine Matratze ins sogenannte Wohnzimmer. Er fürchtet, dass der Fluß über die Ufer tritt und meinen Van erreicht. Den parke ich an der höchsten Stelle des Grundstücks.

Wazza wirft den Generator an, denn mit Sonnenenergie wird es bei dem Wetter nichts. Ich kann meine Geräte aufladen. Der Wein ist alle.

Tag 4: Der Fluß ist nicht über die Ufer getreten, aber an ein Fortkommen ist nicht zu denken. Ich träume von einem 4WD. Es regnet und schüttet abwechselnd, die Luft ist pure Feuchtigkeit. Man kann zuschauen, wie einem das Buch in der Hand wegschimmelt. Die Handtücher muffeln. Das Müsli ist alle.

Ich laufe zehnmal zu den drei Low-Bridges, in Flip-Flops mit kurzer Hose, und wate durch, um zu prüfen, wie hoch das Wasser reicht. In den Gemfields hatte ich ständig staubig-schmutzige Füße, hier sind sie immer blitzsauber.

Ich schaue mit Wazza ein Football-Spiel im Fernsehen. Man muß nur lange genug zusehen, dann fängt man an, die seltsamen Regeln ansatzweise zu verstehen. Ein Fan werde ich trotzdem nicht.

Tag 5: Es regnet nicht, ich kann es kaum glauben. Da das viele Wasser erstmal abfließen muß, kann ich trotzdem noch nicht weiter. Hoffnungsvoll mache ich eine Wanderung im Nationalpark. Zu den Wasserfällen. Irgendwie begeistern die mich gar nicht, ich habe genug vom Wasser. Wazza brutzelt Steaks. Der Kaffee ist alle. Die Milch auch.

Tag 6: Endlich, der Pegel fällt leicht, nur noch 30 Zentimeter. Bei 20 Zentimetern kann ich durch. Gegen Mittag regnet es wieder…. Der Pegel steht wieder bei 35. Ich bin neidisch auf dicke fette Autos. Ich beginne zu rechnen, wie viele Tage meine Lebensmittel noch reichen. Ich habe noch Reis, Nudeln, eine dicke Süßkartoffel, eine Handvoll Rosenkohl, Bohnen…. Wazza bringt mir eine Variante Backgammon bei, die ich noch nicht kannte.

Tag 7: Kein Regen in der Nacht. Am morgen auch nicht. Voller Hoffnung und Zuversicht laufe ich zu den Low-Bridges und tatsächlich, der Pegel steht knapp über 2,5. Ich will es wagen. Ich packe meine Sachen, verabschiede mich von Wazza, Dog und Rocky und fahre vorsichtig, ganz langsam, durch die Furten. Was für eine Befreiung!

 

Montag, 29. April – Ein Platypus – eine Laune der Natur?

Ich fahre nach meinem Buschcamp-Zwangsaufenthalt nicht Richtung Küste, wie es jeder vernünftige Mensch täte, sondern noch tiefer in die Berge zum Broken River im Eungella Nationalpark, denn dort soll es Platypusse geben. Australien hat ja nicht nur die giftigsten Tiere der Welt zu bieten, sondern auch eines der merkwürdigsten.

Ein Platypus sieht aus wie ein flachgeklopfter Biber, hat einen platten Schwanz und einen flachen Schnabel, weshalb es auch Schnabeltier genannt wird. Es ist aber kein Vogel. Es legt Eier, ist aber kein Reptil. Es säugt seine Jungen, ist aber kein Säugetier. Es hat Schwimmhäute, die es hochklappen kann, um mit den kräftigen Vorderfüßen Gänge für seine Höhle zu graben. Es gehört zur Gattung der Kloakentiere (klingt irgendwie doof), denn seine Ausscheidungs- und Fortpflanzungsorgane münden in derselben Öffnung. Es jagt im Wasser nach Larven und Würmern, macht dabei Augen und Ohren zu, denn es kann die Bewegung seiner Beute mit Härchen auf seinem Schnabel wahrnehmen. Es kann sogar die elektrischen Felder der Muskelbewegung seiner Beute spüren und weiß deshalb, wohin sie sich bewegen wird, noch bevor diese selbst es weiß. Wenn das alles nicht sehr seltsam ist? Es gibt noch mehr Merkwürdigkeiten an diesem Tier, frag einfach mal bei Professor Google nach.

Jedenfalls will ich so ein Platypus sehen, und ich habe Glück!

Gleich mehrere schwimmen munter im Broken River herum. Sie sind kleiner als ich dachte, kaum einen halben Meter lang, und ich finde sie einfach hinreißend!